Thursday, June 5, 2014

Weinbitter



So viel wie ich Bahn fahre kommen mir die Wochen doch leider sehr kurz vor. Ich lebe eigentlich von Wochenende zu Wochenende. Erinnere mich selten an die Bahnfahrten sondern grad besonders an den Geschmack eines Rotweins.  42 Tage, 1008 Stunden voller Eindrücke, Träume und Gedanken und ich erinnere mich an den Geschmack eines Rotweins. Ein Wein, den ich vor 6 Wochen das erste Mal probierte und von dem ich angetan war. Wo ich mir beim ersten Probieren überlegte, nicht gleich eine ganze Kiste dazuzukaufen. Aber wer viele Weine probiert hat weiß den Eifer zu zügeln.
In anfänglicher Euphorie scheint der hohe Preis dem Genuss nur zu häufig gerechtfertigt. Schnell verliert man das Gefühl für das Geld, das man bereit ist dafür zu bezahlen. Man hält ihn für einzigartig und tatsächlich macht der Jahrgang den Wein zu einer nicht wiederbringlichen Sache, wenn er denn vergriffen ist.
Selbstbeherrscht versuchte ich den Wein also objektiv und rational zu beurteilen. Vielfältig im Geschmack, klar und deutlich wechseln die Nuancen. Verführerisch tiefgründig im Ansatz, aber ein undefinierbares Gefühl störte. "Da ist noch mehr drin", dachte ich mir und beschloss den Wein noch einen Moment atmen zu lassen.
Dinge werden häufig besser wenn man sie ein wenig ruhen lässt. So sicher auch mit diesem Wein, dessen Farbe ich kritisch beäugte. Relativ gewöhnlich äußerlich, angenehm hochwertig im Geruch, aber der Geschmack war doch überraschend. Ich nehme mir die Flasche und betrachte das schwarz-weiße moderne Etikett. Wieder unscheinbar und doch ansprechend.
Als ich das Glas anhob um die roten Spektren des Sonnenlichts einen Moment zu betrachten, wollte ich ihn im nächsten nun noch einmal probieren. Und ja, er entfaltete wie zu erwarten einen berauschend vollen Geschmack, die gleiche Vielfalt aber intensiver. Ich schloss die Augen und ließ den Wein langsam den Gaumen hinuntergleiten.
Eine Flasche nehme ich mir mit, beschließe ich. Lass sie unnötig aufwändig verpacken, um sie dann zu Hause aufzureißen und Glas um Glas über den Nachmittag und Abend zu leeren. War das ein Genuss. Ein einseitiger Genuss aber köstlich.
In der folgenden Woche kann ich es kaum erwarten. Ich sitze in der S-Bahn, steige aus und sehe kein Licht durch die Ladentür schimmern. Die Tür geschlossen. Ich probiere es die folgende Woche nochmal. Jetzt war der Laden leergeräumt. Zu Hause durchwühle ich die Alt- und Pfandglassammlung,  mein Mitbewohner muss sie grad entsorgt haben. Ich laufe zum Altglascontainer, aber vergebens, die Flasche war weg und mit ihr die Möglichkeit eine Weitere zu erstehen. An den Namen kann ich mich nicht erinnern. Dafür aber an den Geschmack, der sich jetzt wahrscheinlich für immer in meinem Gedächtnis halten wird. So bitter und beständig wie kaum ein anderer.

1 comment:

  1. Ich hoffe du kannst den beliebten Wein wieder entdecken :)

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