Tuesday, May 6, 2014

The Golden State

nach nun insgesamt 5 Wochen California ein Resume.

Die Landschaft

Die USA sind sehr sehr unterschiedlich. Als ich von San Diego nach Flagstaff Arizona zum Grand Canyon gefahren bin, konnte ich von Küsten-Landschaften sowie Wüste, Wälder bis hin zu Bergen so ziemlich alles bewundern. Kalifornien selbst ist wunderschön. Die Landschaften die man hier bewandern und vor allem befahren kann sind beeindruckend mächtig und unvergesslich. Es ist sehr angenehm zu sehen, dass die Öffentlichkeit und dem Kalifornier selbst sehr viel daran liegt, dass diese Naturschönheiten so bleiben wie sie sind. Nicht der Touristen wegen, sondern weil es den Menschen am Herzen liegt. Das kann man spüren.

Die Städte

Zusammen mit dem nahezu durchgängig sonnig warmen Wetter ist das ein Erlebnis, dass ich jedem ans Herz legen möchte. Der Natur wegen, nicht unbedingt wegen der städtischen und kulturellen Vielfalt. Hier müsste ich San Francisco als einzigen Ort nennen der kulturell so viel zu bieten hat, dass er mit den Großstädten Europas mithalten kann. Denn, was auffällt, ist die historisch bedingte Einfallslosigkeit, der man in Kalifornien begegnet. Der offensichtliche Bedarf an Wohnraum ließ die Städte so systematisch wachsen, dass sogar im Stadtinneren die Straßen nur selten Namen tragen,  sondern chronologisch Nummern und Buchstaben. 1st Street, 2nd Street, A Street, B Street... besonders im Stadtkern sind die Straßen gleich lang, gleich breit und gerade. Im Zentrum wechseln die Bars, Restaurant und Geschäfte zwar die Farbe bleiben in ihren räumlichen Konzepten aber sehr ähnlich. Was insgesamt nett ist, um sich zu orientieren, gibt dem ganzen einen doch eher tristen Charakter.

Anders sieht das vielleicht jemand, der sich am amerikanischen Gigantismus nicht satt sehen kann. Hauptsache größer, höher und pompöser. Weniger darauf bedacht letztlich wirklich vernünftig zu wirtschaften, geht es vor allem darum den amerikanischen Lebensstil zu repräsentieren.
Auf der einen Seite leben wir doch in einer Zeit in der Ressourcen knapp sind und ein verschwenderischer Lebensstil zumindest in Deutschland eher negativ wahrgenommen wird, auf der anderen Seite, als Angestellter eines amerikanischen Unternehmens, in dem so ziemlich alles dem Shareholder Value und damit einem möglichst effizienten Wirtschaften untergeordnet wird, wirkte dieser Anblick ein wenig befremdlich.
Möglicherweise ist dieses Gefühl auch der Historie europäischen Reichtums geschuldet. Wo in Europa die Besitztümer größtenteils schon über Jahrhunderte in den selben Familien verbleiben, ist der Reichtum eines Amerikaners relativ häufig selbst verdient.
In Europa wird wahrscheinlich weniger "geprotzt", weil schnell mit Neid reagiert wird. In den USA gönnt man dem "Reichen" seinen Lebensstil eher, weil der Reichtum weniger determiniert ist und suggeriert wird, mit harter Arbeit das gleiche erreichen zu können. Zumindest war es bisher so.
Denn was auch in Kalifornien auffällt sind die Unterschiede, die soziale Kluft zwischen arm und reich. Das sieht man auch in Europa, aber wohl kaum so stark, wenn man mal Paris mit ausnimmt.

Wie dem auch sei, hier geht es vor allem darum sich zu präsentieren. Egal aus welchem Land du kommst, egal was du gelernt hast, siehst du gut aus, hast du ein selbstbewusstes extrovertiertes Auftreten und eine Platin Kreditkarte (mit zu viel Bargeld gilt man doch schnell als Verbrecher) grenzt das hier vermutlich an ein Paradies und ähnelt in Grundzügen sehr dem Paradigma wie er von Fitzgerald in "The great Gatsby" vor hundert Jahren bereits zynisch dargestellt wurde. Wenn du dem entsprechen solltest, dir aber beispielsweise ein bisschen Grips fehlt, was dich in Deutschland etwas minderwertig fühlen lässt, wirst du dich hier blendend wohlfühlen.
Denn auch das fällt auf wenn man sich die Werbung, die Geschäfte und besonders das amerikanische Fernsehen anschaut. Achtzig Prozent der Amerikaner müssen wohl für ziemlich dumm gehalten werden. Aber es scheint zu funktionieren, Hauptsache den Konsumenten nicht überfordern und die Kasse klingelt.
Heute im San Diego Zoo, wo man für 46$ (ca. 30-35€) ein Tagesticket bekommt (für einen Zoo!!!), wird man nicht nur mit einem der schönsten und vielfältigsten Zoos auf der Welt belohnt sondern auch mit einem ausgefeilten Besucher-Leitsystem. Ganz nach Henry Ford Manier muss sich der Besucher nur für einen Themenbereich z.B. das Australian Outback entscheiden und nur noch die Beine bewegen um alle Tiere dieses Themenbereichs sehen zu können.
Entspannt, unkompliziert und irgendwie auch ein wenig langweilig. Denn ein Abweichen von den festen Pfaden im Zoo ist nicht erlaubt, irgendwie war doch wieder das Gefühl da, die Wahl aber nicht wirklich die Wahl gehabt zu haben.
Auch, dass das 46$ Ticket das minimum Standard Ticket ist... darüber hinaus lässt sich über Option zu Option, einer Bustour durch den Park, einem Backstage Pass und einer VIP Führung schnell 500$ lassen, wohlbemerkt für einen Zoobesuch (sehr typisch amerikanisch).

Die Menschen

Den Kalifornier generell würde ich nach meinen Erfahrungen als sehr hilfsbereit, oberflächlich, pragmatisch, positiv und sehr sozialisiert beschreiben. Wobei ich mit sozialisiert das "Community-Thinking" meine. Die Menschen hier sind aufgeschlossen und interessieren sich füreinander (wenn auch oberflächlich) und die Bereitschaft freiwillig etwas für die "amerikanische" Gemeinschaft beizutragen scheint hoch.
Die Transparente für die Feuerwehrmänner, die in Yosemete gegen das Feuer angekämpft haben und ihnen Mut zusprechen sollten... Die Unterstützung und Anerkennung für den Dienst am Volk, auch für den Militärdienst war mir aus Deutschland fremd (auch wenn natürlich fraglich bleibt wie ein Militärbudget so groß wie das der nächsten 20 Länder zusammen wirklich dafür sein kann die nationalen Interessen zu "verteidigen"). Grad in Berlin, wo doch erstmal jeder sich selbst der Nächste ist.
Unterm Strich, kein schlecht gelaunter Busfahrer, nie ein grimmiges Gesicht an der Kasse, sondern selbst bis zur Putzfrau in der Regel positive, hilfsbereite und gut gelaunte Menschen.

Der Umgang mit Alkohol

Der verwöhnte kalifornische Student von reichen Eltern (Studieren und Leben an Orten wie Santa Barbara ist wahnwitzig teuer) trinkt exzessiv. Eigentlich drehen sich die Gespräche am Tag nur darum, wer wo am Tag zuvor wie betrunken war und mit wem Sex hatte und wo die nächste Party steigt. Man muss dazu sagen, dass die Deutschen den Amerikanern was den Alkohol anbelangt mindestens 3 Jahre voraus sind. Trotz dessen, es wird jede Gelegenheit genutzt sich vollends komatös wegzuschießen. Trinkspiele wie Bierpong und Snappa fangen häufig schon am frühen Nachmittag an und sind einzig dafür da nach und nach aber sicher hin zum Kater und am nächsten Tag wieder raus zu führen. Ich mein, die Deutschen lieben ihr Bier und ihren Wein, die meisten wissen mit spätestens 21 allerdings wo die Grenzen zwischen Alkohol-Genuss und -Exzess liegen. Bei der Abreise in die Reha zur Entgiftung gibt es hier Anerkennung und Besserungswünsche. 

Die Infrastruktur

Der öffentliche Nah- wie Fernverkehr ist schlecht ausgebaut und hat einen sehr schlechten Ruf (besonders Busse). Ohne Auto geht eigentlich nichts in Kalifornien und das gilt auch für den Rest der USA. Das Problem bleibt die Weitläufigkeit, die vielen Vororte, der fehlende Wille für Investitionen und die Liebe zu Autos mit großen Motoren. Gleichzeitig sind die Städte an den eigenen Freeways gewachsen und daher primär auch nur mit dem Auto vernünftig zu erreichen. Irgendwie scheinen hier noch nicht wirklich viele verstanden zu haben, dass das Benzin nie mehr so günstig wie jetzt sein wird. Auf der anderen Seite ist das Benzin mit zuletzt ca 1$ pro Liter (ca 0,75€) halb so teuer wie in Deutschland. Verständlich, dass jeder Business Plan für ein öffentliches Verkehrsnetz nicht aufgehen würde. Zudem ist Kalifornien stark verschuldet. Das sieht man schon an den Straßen, Schlagloch an Schlagloch, reiht sich von Bodenwelle zu Bodenwelle. Die Auffahrt zur Tankstelle muss dem Porsche-Fahrer hier wie ein Krimi vorkommen, erklärt jedenfalls auch warum SUVs und Pickups den Straßenverkehr dominieren.

Was bleibt...

Sind die eindrucksvollen Erinnerungen an die National Parks, an den Highway One, die kleinen verträumten Städte am Pazifik und das mexikanische Essen. Ich empfehle den Leuten, die Kalifornien bereisen wollen ihren Fokus besonders auf die Natur zu legen und weniger auf die Städte. Den Augenblick als ich an den Upper Falls auf das Yosemite Valley blickte werde ich nie vergessen. Soviel Naturschönheit findet man selbst in Österreich nur schwerlich und dafür hat sich meine Kalifornienreise allemal gelohnt.