Thursday, September 25, 2014

Wenn die Tage kürzer werden

Der Herbst hat etwas an sich. Ich weiß es nicht so recht zu beschreiben. Anders als seine Brüder lässt er mich ruhig werden und erinnern... zurückschauen, auf diesen Moment. Wenn die Nächte kalt und lang werden, wenn man in den Tiefen des Kleiderschranks nach seiner geliebten Winterkleidung sucht. Der Mantel, der einen so häufig vor dem kalten Wind beschützte und in dunklen Tagen immer ein gern gesehener Begleiter war. Er liegt jetzt wieder vor dir, ein bisschen eingestaubt vielleicht aber wohlig warm sieht er aus. Du stellst dir schon vor wie du ihn zu einem Sonntagsspaziergang überstreifst mit Schal und Handschuhen alle übrigen Luftlöcher bedeckst und er sonst auch deine Fettpolster versteckt, die du im Frühling leider nicht losgeworden bist. Und dann erinnerst du dich wieder an das letzte Mal, als du ihm Hallo! sagtest. An den letzten Herbst, den letzten Oktober; und den davor und davor... Und du fragst dich, was hat sich verändert, was hast du geschafft, was ist passiert, wen hast du getroffen und wohin haben dich deine Beine getragen... Gehst du richtig? Bist du auf dem richtigen Weg? Lebst du gesund? Warum sparst du nicht für deine Zukunft? Ist der Sommer denn schon wieder vorbei? schon wieder?
Und auf einmal rauscht der letzte Sommer wie ein Augenblick, wie ein Traum an dir vorbei. Vollgestopft mit Erlebnissen, Eindrücken und Erkenntnissen läuft er vor deinem Auge nochmal ab und jetzt? Jetzt stehst du da, mit kalten Füßen und guckst dir deinen Freund Mantel an. Der dich in der nächsten Zeit wärmen und begleiten wird.
Schon komisch dieser Herbst...

Thursday, June 5, 2014

Weinbitter



So viel wie ich Bahn fahre kommen mir die Wochen doch leider sehr kurz vor. Ich lebe eigentlich von Wochenende zu Wochenende. Erinnere mich selten an die Bahnfahrten sondern grad besonders an den Geschmack eines Rotweins.  42 Tage, 1008 Stunden voller Eindrücke, Träume und Gedanken und ich erinnere mich an den Geschmack eines Rotweins. Ein Wein, den ich vor 6 Wochen das erste Mal probierte und von dem ich angetan war. Wo ich mir beim ersten Probieren überlegte, nicht gleich eine ganze Kiste dazuzukaufen. Aber wer viele Weine probiert hat weiß den Eifer zu zügeln.
In anfänglicher Euphorie scheint der hohe Preis dem Genuss nur zu häufig gerechtfertigt. Schnell verliert man das Gefühl für das Geld, das man bereit ist dafür zu bezahlen. Man hält ihn für einzigartig und tatsächlich macht der Jahrgang den Wein zu einer nicht wiederbringlichen Sache, wenn er denn vergriffen ist.
Selbstbeherrscht versuchte ich den Wein also objektiv und rational zu beurteilen. Vielfältig im Geschmack, klar und deutlich wechseln die Nuancen. Verführerisch tiefgründig im Ansatz, aber ein undefinierbares Gefühl störte. "Da ist noch mehr drin", dachte ich mir und beschloss den Wein noch einen Moment atmen zu lassen.
Dinge werden häufig besser wenn man sie ein wenig ruhen lässt. So sicher auch mit diesem Wein, dessen Farbe ich kritisch beäugte. Relativ gewöhnlich äußerlich, angenehm hochwertig im Geruch, aber der Geschmack war doch überraschend. Ich nehme mir die Flasche und betrachte das schwarz-weiße moderne Etikett. Wieder unscheinbar und doch ansprechend.
Als ich das Glas anhob um die roten Spektren des Sonnenlichts einen Moment zu betrachten, wollte ich ihn im nächsten nun noch einmal probieren. Und ja, er entfaltete wie zu erwarten einen berauschend vollen Geschmack, die gleiche Vielfalt aber intensiver. Ich schloss die Augen und ließ den Wein langsam den Gaumen hinuntergleiten.
Eine Flasche nehme ich mir mit, beschließe ich. Lass sie unnötig aufwändig verpacken, um sie dann zu Hause aufzureißen und Glas um Glas über den Nachmittag und Abend zu leeren. War das ein Genuss. Ein einseitiger Genuss aber köstlich.
In der folgenden Woche kann ich es kaum erwarten. Ich sitze in der S-Bahn, steige aus und sehe kein Licht durch die Ladentür schimmern. Die Tür geschlossen. Ich probiere es die folgende Woche nochmal. Jetzt war der Laden leergeräumt. Zu Hause durchwühle ich die Alt- und Pfandglassammlung,  mein Mitbewohner muss sie grad entsorgt haben. Ich laufe zum Altglascontainer, aber vergebens, die Flasche war weg und mit ihr die Möglichkeit eine Weitere zu erstehen. An den Namen kann ich mich nicht erinnern. Dafür aber an den Geschmack, der sich jetzt wahrscheinlich für immer in meinem Gedächtnis halten wird. So bitter und beständig wie kaum ein anderer.

Tuesday, May 6, 2014

The Golden State

nach nun insgesamt 5 Wochen California ein Resume.

Die Landschaft

Die USA sind sehr sehr unterschiedlich. Als ich von San Diego nach Flagstaff Arizona zum Grand Canyon gefahren bin, konnte ich von Küsten-Landschaften sowie Wüste, Wälder bis hin zu Bergen so ziemlich alles bewundern. Kalifornien selbst ist wunderschön. Die Landschaften die man hier bewandern und vor allem befahren kann sind beeindruckend mächtig und unvergesslich. Es ist sehr angenehm zu sehen, dass die Öffentlichkeit und dem Kalifornier selbst sehr viel daran liegt, dass diese Naturschönheiten so bleiben wie sie sind. Nicht der Touristen wegen, sondern weil es den Menschen am Herzen liegt. Das kann man spüren.

Die Städte

Zusammen mit dem nahezu durchgängig sonnig warmen Wetter ist das ein Erlebnis, dass ich jedem ans Herz legen möchte. Der Natur wegen, nicht unbedingt wegen der städtischen und kulturellen Vielfalt. Hier müsste ich San Francisco als einzigen Ort nennen der kulturell so viel zu bieten hat, dass er mit den Großstädten Europas mithalten kann. Denn, was auffällt, ist die historisch bedingte Einfallslosigkeit, der man in Kalifornien begegnet. Der offensichtliche Bedarf an Wohnraum ließ die Städte so systematisch wachsen, dass sogar im Stadtinneren die Straßen nur selten Namen tragen,  sondern chronologisch Nummern und Buchstaben. 1st Street, 2nd Street, A Street, B Street... besonders im Stadtkern sind die Straßen gleich lang, gleich breit und gerade. Im Zentrum wechseln die Bars, Restaurant und Geschäfte zwar die Farbe bleiben in ihren räumlichen Konzepten aber sehr ähnlich. Was insgesamt nett ist, um sich zu orientieren, gibt dem ganzen einen doch eher tristen Charakter.

Anders sieht das vielleicht jemand, der sich am amerikanischen Gigantismus nicht satt sehen kann. Hauptsache größer, höher und pompöser. Weniger darauf bedacht letztlich wirklich vernünftig zu wirtschaften, geht es vor allem darum den amerikanischen Lebensstil zu repräsentieren.
Auf der einen Seite leben wir doch in einer Zeit in der Ressourcen knapp sind und ein verschwenderischer Lebensstil zumindest in Deutschland eher negativ wahrgenommen wird, auf der anderen Seite, als Angestellter eines amerikanischen Unternehmens, in dem so ziemlich alles dem Shareholder Value und damit einem möglichst effizienten Wirtschaften untergeordnet wird, wirkte dieser Anblick ein wenig befremdlich.
Möglicherweise ist dieses Gefühl auch der Historie europäischen Reichtums geschuldet. Wo in Europa die Besitztümer größtenteils schon über Jahrhunderte in den selben Familien verbleiben, ist der Reichtum eines Amerikaners relativ häufig selbst verdient.
In Europa wird wahrscheinlich weniger "geprotzt", weil schnell mit Neid reagiert wird. In den USA gönnt man dem "Reichen" seinen Lebensstil eher, weil der Reichtum weniger determiniert ist und suggeriert wird, mit harter Arbeit das gleiche erreichen zu können. Zumindest war es bisher so.
Denn was auch in Kalifornien auffällt sind die Unterschiede, die soziale Kluft zwischen arm und reich. Das sieht man auch in Europa, aber wohl kaum so stark, wenn man mal Paris mit ausnimmt.

Wie dem auch sei, hier geht es vor allem darum sich zu präsentieren. Egal aus welchem Land du kommst, egal was du gelernt hast, siehst du gut aus, hast du ein selbstbewusstes extrovertiertes Auftreten und eine Platin Kreditkarte (mit zu viel Bargeld gilt man doch schnell als Verbrecher) grenzt das hier vermutlich an ein Paradies und ähnelt in Grundzügen sehr dem Paradigma wie er von Fitzgerald in "The great Gatsby" vor hundert Jahren bereits zynisch dargestellt wurde. Wenn du dem entsprechen solltest, dir aber beispielsweise ein bisschen Grips fehlt, was dich in Deutschland etwas minderwertig fühlen lässt, wirst du dich hier blendend wohlfühlen.
Denn auch das fällt auf wenn man sich die Werbung, die Geschäfte und besonders das amerikanische Fernsehen anschaut. Achtzig Prozent der Amerikaner müssen wohl für ziemlich dumm gehalten werden. Aber es scheint zu funktionieren, Hauptsache den Konsumenten nicht überfordern und die Kasse klingelt.
Heute im San Diego Zoo, wo man für 46$ (ca. 30-35€) ein Tagesticket bekommt (für einen Zoo!!!), wird man nicht nur mit einem der schönsten und vielfältigsten Zoos auf der Welt belohnt sondern auch mit einem ausgefeilten Besucher-Leitsystem. Ganz nach Henry Ford Manier muss sich der Besucher nur für einen Themenbereich z.B. das Australian Outback entscheiden und nur noch die Beine bewegen um alle Tiere dieses Themenbereichs sehen zu können.
Entspannt, unkompliziert und irgendwie auch ein wenig langweilig. Denn ein Abweichen von den festen Pfaden im Zoo ist nicht erlaubt, irgendwie war doch wieder das Gefühl da, die Wahl aber nicht wirklich die Wahl gehabt zu haben.
Auch, dass das 46$ Ticket das minimum Standard Ticket ist... darüber hinaus lässt sich über Option zu Option, einer Bustour durch den Park, einem Backstage Pass und einer VIP Führung schnell 500$ lassen, wohlbemerkt für einen Zoobesuch (sehr typisch amerikanisch).

Die Menschen

Den Kalifornier generell würde ich nach meinen Erfahrungen als sehr hilfsbereit, oberflächlich, pragmatisch, positiv und sehr sozialisiert beschreiben. Wobei ich mit sozialisiert das "Community-Thinking" meine. Die Menschen hier sind aufgeschlossen und interessieren sich füreinander (wenn auch oberflächlich) und die Bereitschaft freiwillig etwas für die "amerikanische" Gemeinschaft beizutragen scheint hoch.
Die Transparente für die Feuerwehrmänner, die in Yosemete gegen das Feuer angekämpft haben und ihnen Mut zusprechen sollten... Die Unterstützung und Anerkennung für den Dienst am Volk, auch für den Militärdienst war mir aus Deutschland fremd (auch wenn natürlich fraglich bleibt wie ein Militärbudget so groß wie das der nächsten 20 Länder zusammen wirklich dafür sein kann die nationalen Interessen zu "verteidigen"). Grad in Berlin, wo doch erstmal jeder sich selbst der Nächste ist.
Unterm Strich, kein schlecht gelaunter Busfahrer, nie ein grimmiges Gesicht an der Kasse, sondern selbst bis zur Putzfrau in der Regel positive, hilfsbereite und gut gelaunte Menschen.

Der Umgang mit Alkohol

Der verwöhnte kalifornische Student von reichen Eltern (Studieren und Leben an Orten wie Santa Barbara ist wahnwitzig teuer) trinkt exzessiv. Eigentlich drehen sich die Gespräche am Tag nur darum, wer wo am Tag zuvor wie betrunken war und mit wem Sex hatte und wo die nächste Party steigt. Man muss dazu sagen, dass die Deutschen den Amerikanern was den Alkohol anbelangt mindestens 3 Jahre voraus sind. Trotz dessen, es wird jede Gelegenheit genutzt sich vollends komatös wegzuschießen. Trinkspiele wie Bierpong und Snappa fangen häufig schon am frühen Nachmittag an und sind einzig dafür da nach und nach aber sicher hin zum Kater und am nächsten Tag wieder raus zu führen. Ich mein, die Deutschen lieben ihr Bier und ihren Wein, die meisten wissen mit spätestens 21 allerdings wo die Grenzen zwischen Alkohol-Genuss und -Exzess liegen. Bei der Abreise in die Reha zur Entgiftung gibt es hier Anerkennung und Besserungswünsche. 

Die Infrastruktur

Der öffentliche Nah- wie Fernverkehr ist schlecht ausgebaut und hat einen sehr schlechten Ruf (besonders Busse). Ohne Auto geht eigentlich nichts in Kalifornien und das gilt auch für den Rest der USA. Das Problem bleibt die Weitläufigkeit, die vielen Vororte, der fehlende Wille für Investitionen und die Liebe zu Autos mit großen Motoren. Gleichzeitig sind die Städte an den eigenen Freeways gewachsen und daher primär auch nur mit dem Auto vernünftig zu erreichen. Irgendwie scheinen hier noch nicht wirklich viele verstanden zu haben, dass das Benzin nie mehr so günstig wie jetzt sein wird. Auf der anderen Seite ist das Benzin mit zuletzt ca 1$ pro Liter (ca 0,75€) halb so teuer wie in Deutschland. Verständlich, dass jeder Business Plan für ein öffentliches Verkehrsnetz nicht aufgehen würde. Zudem ist Kalifornien stark verschuldet. Das sieht man schon an den Straßen, Schlagloch an Schlagloch, reiht sich von Bodenwelle zu Bodenwelle. Die Auffahrt zur Tankstelle muss dem Porsche-Fahrer hier wie ein Krimi vorkommen, erklärt jedenfalls auch warum SUVs und Pickups den Straßenverkehr dominieren.

Was bleibt...

Sind die eindrucksvollen Erinnerungen an die National Parks, an den Highway One, die kleinen verträumten Städte am Pazifik und das mexikanische Essen. Ich empfehle den Leuten, die Kalifornien bereisen wollen ihren Fokus besonders auf die Natur zu legen und weniger auf die Städte. Den Augenblick als ich an den Upper Falls auf das Yosemite Valley blickte werde ich nie vergessen. Soviel Naturschönheit findet man selbst in Österreich nur schwerlich und dafür hat sich meine Kalifornienreise allemal gelohnt.

Thursday, February 20, 2014

Die Welten der Wahrnehmung


„Menschen müssen im Unterschied zu anderen Lebewesen um ihr Selbstverständnis ringen. Wir können an uns zweifeln und dabei auch verzweifeln, über uns selbst hinaus denken und uns dabei auch verlieren: Wer lange Zeit verzweifelt ist, ohne Trost und Halt zu finden, wer seine Gefühle nicht mehr mitteilen kann oder sie nicht mehr aushält, kann depressiv werden oder, wenn er die Flucht nach vorn ergreift, auch manisch. – Wer sehr dünnhäutig ist, kann in Lebenskrisen so durchlässig werden, dass er seine Grenzen verliert. Die Wahrnehmungen können eigensinnig werden, die Gedanken sprunghaft... [Wer so fühlt], ist also kein Wesen vom anderen Stern, sondern reagiert zutiefst menschlich."

Wir sehen und kennen unsere Umwelt durch unsere Wahrnehmung. Die Wahrnehmung wird dabei durch unsere Stimmung beeinflusst und unsere Stimmung durch unsere Wahrnehmung. Wir glauben zu sehen und zu wissen, dabei kommen nur 30% der Nerven im Seh- und Hörzentrum von Auge und Ohr. Da sich unser Gehirn fortlaufend verändert ist anzunehmen, dass sich mit zunehmendem Alter auch unsere Wahrnehmungen und Stimmungen verändern. Wie schnell und überwältigend dieser Wandel sein kann, wird jeder Teenager am besten wissen. Es ist nicht sehr abwegig in dieser Zeit von Psychosen zu sprechen, ganz natürlich, aber kaum als solche benannt - klar, geben wir einer Lebenslage einen weniger geläufigen Namen hört es sich krankhaft an.



Dabei, wenn wir diese Stimmungslage in bestimmten Phasen unseres Leben erstmal als solche, was es ist benennen würden, wäre es nicht viel leichter aktiv an dieser Lebenslage zu arbeiten und in den Griff zu bekommen? Stattdessen verharmlosen wir es als temporäre Stimmungsschwankungen und nehmen fahrlässig in kauf, dass sich die Entwicklung von Wahrnehmung und Gehirn langanhaltend negativ entwickelt. Mit der Gefahr ein Leben lang anfällig für psychotische und oder depressive Phasen zu sein.
Denn solche Phasen begegnen uns nicht nur im jungen Alter, wo wir aus dem Selbstverständnis unserer Eltern hinaustreten. Sondern auch dann wenn wir erneut mit einer veränderten Lebenslage konfrontiert werden. Man zieht sich zurück, ringt nach Autonomie, nach einem Ort, an dem man unangreifbar die Ruhe zu haben glaubt um das verlorene Selbstverständnis wiederzuerlangen. Diese Phasen der Unsicherheit exzessiv mit Alkohol, Tabak, Schmerzmitteln und anderen Drogen zu betäuben sollten für Familie und Vertraute eigentlich eine Alarmierung sein, aber auch das wird nicht selten nur zur Kenntnis genommen, da gesellschaftlich in den meisten Fällen akzeptiert oder kriminalisiert und ignoriert.

Unsere Wahrnehmung verändert sich fortlaufend. Gerüche verändern sich, das schauen eines Films, das Lesen eines Buches, das Autofahren, das Lieben, das Essen... das Atmen... Bei jeder Veränderung ringen wir mit unserem Selbstverständnis. Damit umgehen zu können, sich anzupassen, macht sicherlich den Unterschied zu einem "verrückten" und einem "normalen" Menschen aus. Diese Menschen sind so viel echter und authentischer, warum fällt es mir so schwer mit ihnen umzugehen?
Und dann ertappe ich mich selbst dabei, wenn ich in einer Phase der Selbstreflexion mich von meinem selbstverstandenen Ich entferne und dabei irgendwann die Selbstreflexion an sich in Frage stelle und reflektiere und wieder das Infragestellen in Frage stelle, ich mich, versunken in Gedanken, von mir selbst entkoppelt zurückziehe um wieder zu meinem selbstverstandenen Ich zurückzufinden...

Thursday, January 9, 2014

Studium-Abschluss und Jobeinstieg - Tipp für Neustarter

Da für mich vor 4 Monaten das Studium zu Ende ging und mal wieder der „Ernst“ des Lebens beginnen sollte, habe ich mir viel über das Thema "Arbeit" Gedanken gemacht. Ob es die Art und Weise ist, wie Unternehmen im in Deutschland hart umkämpften Arbeitsmarkt für Fachkräfte sich aufstellen müssten um für Arbeiter attraktiver zu werden und wie sich auch die Form des Arbeitens in unserer heutigen Welt verändert hat.
Vielen ist die Anekdote von Heinrich Böll über den Fischer und den Touristen geläufig. Dieser Anekdote kann man entnehmen, wie das Arbeitsverständnis der vergangenen Jahrhunderte ausgesehen haben könnte. Arbeit war ein Weg zum Überleben oder Wohlstand. Die Quintessenz dieser Anekdote wird heute so dargestellt, dass es eine angemessene Work/Life Ballance geben sollte. Die Zeit, die einem im Leben zur Verfügung steht paritätisch zum "Arbeiten fürs Überleben" und zum "Genießen des Lebens" einzusetzen, scheint dem gewissenhaften Leser hier als erstrebenswerter, da einem in den jungen Jahren, der wichtigsten Zeit des Lebens, der Genuss des Lebens sonst verwehrt bleiben könnte.
Hier schließe ich mich allerdings einigen Meinungen an, die sagen, dass sich die Arbeit heutzutage verändert hat und diese alte Vorstellung von Arbeit auf unsere modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften nicht mehr angewendet werden kann.
Die Arbeit ist heute der Lebensinhalt. Wir Leben in unserer Arbeit, und der Genuss des Lebens ist gute Arbeit zu vollbringen; Dinge zu erschaffen und Anerkennung für seine Arbeit und seine Person zu bekommen.
Ich meine, die Herausforderung vieler Berufseinsteiger liegt darin, einen Arbeitgeber und einen Beruf zu finden, der zu den eigenen Interessen und der eigenen Arbeitsweise passt und Spaß macht. Sich hier selbst erst einmal soweit reflektiert zu haben und genügend Informationen über ein Jobangebot zu sammeln um eine Übereinstimmung beurteilen zu können ist bei vielen Neueinsteigern entweder noch nicht erfolgt oder nicht möglich. Möglicherweise lassen sich heute noch viele durch das Jahresgehalt auf dem Arbeitsvertrag oder der Reputation der Firma zur Zusage eines Angebots verleiten. In jedem Fall hat man früher oder später Probleme. Man sollte hier ehrlich zu sich selbst sein und die Ungewissheit eines Neuanfangs oder einer Absage in Kauf nehmen, sonst bestimmt Frust den Arbeitsalltag und man gerät hier im schlimmsten Fall in Sinnkrisen, bis hin zu Depression und Burnout.

Tuesday, July 9, 2013

Langschläfer vs. Frühaufsteher

Wir leben in einer Frühaufstehergesellschaft. Das Frühaufstehen gilt als tüchtig und Spätaufstehen für undiszipliniert und faul.

"Wer weit will gehen, muss früh aufstehen", "Morgenstund hat Gold im Mund", "der frühe Vogel fängt den Wurm". Sogar ganze Bundesländer machen sich dieses Image mehr oder weniger erfolgreich zu Nutzen: "Land der Frühaufsteher".

Mittlerweile ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Schlafrhythmen genetisch bedingt und es absolut ungesund ist sich dagegen zu wehren, bzw. einen Schlafrhythmus aufgezwungen zu bekommen. Aber unsere so deutsche Frühaufstehergesellschaft ist standfest und hält sich, obwohl es sogar mehr Langschläfer als Frühaufsteher gibt.

Es gibt allerdings einen Lichtblick. Es sind die flexiblen Arbeitszeiten der "New Economy", die dem Langschläfer bestens in die Hände spielt. Wieso? Das liegt ganz an dem Frühaufsteherstress, der einem jeden Vormittag begleitet und dazu bringt, so viel wie möglich bis zum Mittag geschafft zu haben. Denn auch die  Mittags- und Kantinenzeiten richten sich in vielen Unternehmen immer noch nach den Frühaufstehern und der Mittag bedeutet so viel wie "Halbzeit". Hier muss also schon möglichst die Hälfte aller Aufgaben erledigt sein, für Langschläfer natürlich unmöglich.

Der Gruppenzwang ist es, der einen dann 3 Stunden nach dem Frühstück schon wieder Mittagessen lässt. Viele Langschläfer essen dann häufig nur kleine Portionen oder einen Salat, um nicht die daruaffolgenden zwei Stunden in einer Fressstarre zu verharren und überhaupt nichts mehr auf die Reihe zu bekommen. Natürlich haben diese Langschläfer am frühen Nachmittag dann schon wieder Hunger und quälen sich bis zum frühen Abend, wo keiner mehr darauf achtet, ob man die Pause etwas ausdehnt und zum Supermarkt zwei Straßen weiter geht, um sich mit etwas Energiereserven einzudecken.
Jetzt ist das Büro der Frühaufsteher leer und da ein guter Frühaufsteher immer vor dem Chef oder Chef der Chefs im Büro ist, ist neben wenigen Langschläfern nur noch der Chef da, der langsam zur Ruhe kommt.

Jetzt schlägt die Stunde des Langschläfers. Denn wohingegen der Frühaufsteher vormittags selten bis nie den Chef zu greifen bekommt, weil dieser ganz nach dem "Halbzeit-Prinzip" seine maßlos überfüllte ToDo Liste versucht abzuarbeiten und sich das Gerede von zahlreichen Frühaufstehern vormittags in Terminen anhören muss, ist jetzt der passendste Moment um mit dem Chef über seine zukünftige Karriereplanung zu reden.
Dieser hat den Eindruck einen lang- und spät-arbeitenden Mitarbeiter vor sich zu haben. Denn wenn ein Chef morgens ins Büro kommt, hat er häufig eine handvoll Frühaufsteher vor Augen, die ihm versuchen einen Moment für ihre Karriereplanung zu entlocken und dieser versucht deshalb so geradewegs wie möglich erst einmal in sein Büro zu flüchten, bevor der Blick auf seine ToDo Liste fällt.

Der kleine Smalltalk, der kurze Bericht über die Aufgaben an denen man gerade arbeitet schafft vertrauen und er wird sich daran erinnern, dass es einen leidenschaftlich-arbeitenden sympathischen Mitarbeiter unter sich gibt, dem man vielleicht eine Chance geben sollte gefördert zu werden. Das Stichwort ist hier "Visibility" und war selten wichtiger als heute. Wo Hierarchien flach und Teams groß sind; die Eigenverantwortlichkeit bei der Erfüllung der Aufgaben hoch und die Arbeitszeiten flexibel sind.

Früh geht der Frühaufsteher
Lang lebe der Langschläfer!

Saturday, April 13, 2013

Also, wo geht es hin?

"Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen"

Dieses Zitat, von einem der reichsten Männer der Welt, müsste eigentlich alarmieren. Müsste das Volk mobilisieren und gegen die Politik rebellieren. Denn wenn man das aktuelle Zeitgeschehen, die Politik und Wirtschaft verfolgt, dann muss man unweigerlich zum Systemkritiker werden. Der Kapitalismus begünstigt den Besitzenden und der "Arbeiter" wird ruhig gehalten, bedroht, mit dem einzigen, was er hat, die Arbeit. Wo in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg eine Art Neuanfang eine breite Mittelschicht schuf, wandert der Besitz mit Hilfe der Globalisierung auch hier immer weiter in die Hände der, die verstehen das System zu nutzen; unmoralisch genug sind den Staat und seine Bürger zu betrügen und fest davon überzeugt sind im Interesse des Landes zu handeln. Was Bitter ist und einen Systemwandel unausweichlich erscheinen lässt, sind die Optionen, die der "Arbeiter" hier hat. Konfrontiert mit 2 Milliarden Chinesen und Indern, ständig in der Defensive, wenn er mit seiner Ersetzbarkeit konfrontiert wird. Diese Länder in denen Informationen unterschlagen, Kritik an Politik und System ignoriert und unterdrückt wird. In denen die Elite ungehindert Macht und Geld jagen und sammeln kann; Sammeln zum Selbstzweck wird... Ein baldiger Wandel scheint dort so weit entfernt wie das gesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein dem Banker hier zu tage.

Die Wirtschaft, die den Mindestlohn strikt ablehnt, das volkswirtschaftlich begründet aber der die Transparenz und Verfügbarkeit von Informationen einfach fehlt. Natürlich bedeutet ein Mindestlohn eine theoretische Minderung von Arbeitsplätzen, aber seit wann geht es dem Kapitalismus um Arbeitsplätze? Ihr geht es um Geld, um Geld, das im Falle eines Mindestlohns auch den Besitzenden fehlen würde und denen ich den Hintergrund der Ablehnung des Mindestlohn unterstelle. Fraglich ob das Opfer der Arbeitsplätze einen Mindestlohn rechtfertigt. Ein Versuch halte ich ihn dennoch wert.

Tatsächlich kann vielleicht nur Transparenz und die freie Verfügbarkeit von Informationen diesen Wahnsinn stoppen. Aber auch der "Arbeiter" denkt in erster Linie nur an sich und offensichtlich fällt es ihm schwer über seinen Tellerrand hinaus zu blicken...